Brexit, Grexit, Aussetzen von Schengen, Alleingänge und Re-Nationalisierung sind vielstimmige Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie Finanzkrise, Flüchtlingskrise oder Terror.
Viele sehen unser Europa gefährdet aber kaum jemand will die Probleme mit einem mutigen mehr Europa lösen. Wohl, weil es aktuell nicht mehrheitsfähig und schwer durchsetzbar ist. Trotzdem plädiere ich für mehr Europa statt weniger, wünsche ich mir Mut und Vision, statt Verzagtheit und einfacher Lösungen.
500 Millionen Europäer sind eine Macht – 80 Millionen Deutsche weltpolitisch unbedeutend. Eine europäische Polizei könnte den grenzübergreifenden Terror besser bekämpfen als viele hundert dezentral gesteuerte regionale Einheiten. Europäische Streitkräfte wären wirkmächtiger als schlecht gerüstete nationale Verbände mit 28 unterschiedlichen Oberbefehlshabern.
Eine demokratisch fundiert legitimierte europäische Regierung wäre auf internationaler Bühne ein wichtiger Partner – mehr als europäische Kommissare, die im täglichen Kleinklein von 26 Regierungschef im Zweifel konterkariert und ausgebremst werden. Die europäische Idee wird ausgebremst von nationalen Parlamenten und ihren Regierungen, die im Zweifel lieber Macht re-nationalisieren, statt beherzt Europa weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu gestalten. Europa wird nicht an zu viel Europa scheiten sondern an zu wenig. Die Prinzipien der Subsidiarität und der Konnexität sollten viel stärker gelten.
Die Forderung nach einer echten europäischen Regierung kann nur basieren auf einer Stärkung des Europäischen Parlaments (EP) und einer klareren Zuordnung der Zuständigkeiten. Wir sollten die Anzahl der Gesetze, die durch nationale Parlamente ratifiziert werden deutlich reduzieren. Eine gemeinsame europäische Außenpolitik muss sich dem EP gegenüber verantworten, nicht mehr den nationalen Parlamenten. Ein Parlamentsvorbehalt für den Einsatz von Streitkräften muss erhalten bleiben – aber selbstverständlich beim EP liegen. Das gleiche gilt für die Überwachung zukünftiger europäische Institutionen wie einer europäischen Polizei, europäischer Grenzschützer oder anderer Exekutivorgane.
Money makes the world go around – das gilt auch beim Steuerrecht. Ich plädiere für die Einführung europäischer Steuern – bei gleichzeitiger Absenkung lokaler Steuern um mindestens dieselbe Quote. Allen, die jetzt reflexartig "Nein" zu neuen Steuern rufen, möchte ich sagen, dass die Prinzipien von Konnexität und letztlich auch Transparenz am besten dadurch durchgesetzt werden, wenn jede politische Ebene ihre eigenen Steuern erhebt und diese auch transparent verantworten muss. Die heute Intransparenz führt nur zu verantwortungslosem Umgang mit unseren Steuergeldern. Der deutsche Länderfinanzausgleich sollte da warnendes Beispiel sein.
Ich bin stolzer Münchner und mit meiner bayerischen Heimat verwurzelt. Politisch bin ich Europäer und als solcher ist mir Brüssel wichtiger als Berlin. Das entspricht noch nicht der politischen Realität – aber dafür werde ich gerne kämpfen.