Das bayerische Integrationsgesetz der CSU – ein Leid-Bild.

10.12.2016
Andy Keck

Ich habe mir das bayerische Integrationsgesetz durchgelesen, das diese Woche im Landtag verabschiedet wurde. Was soll ich sagen, ich bin entsetzt. Nicht wegen einzelner Sätze – viele davon würde ich jederzeit unterschreiben – es ist der Duktus insgesamt, der da durchscheint.

Es zeigt eine bornierte, chauvinistische, selbstgerechte und ablehnende Haltung gegenüber Fremden und Veränderungen insgesamt. Er ist beängstigend in seiner Geschichtsvergessenheit und Ahnungslosigkeit über Entstehen und Entwicklung von Kultur.

Die Idee einer Leitkultur ist hirnrissig.

Die Beschreibung einer Kultur und ihrer Werte kann immer nur eine Momentaufnahme sein. Sie selbst ist agil und entwickelt sich permanent – beeinflusst von den Menschen und ihren individuellen Werten. Der Versuch also, eine „Leitkultur“ per Gesetz zu zementieren, ist in sich hirnrissig, um es adäquat der bayerischen Kultur zu formulieren.
Unsere Kultur ist geprägt von Jahrtausende währender Entwicklung, von Völkerwanderungen, viel zu vielen Kriegen, unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, Religionen sowie Rechtsnormen und Regierungsformen. Viele unserer Riten und Bräuche sind „heidnischen“ Ursprungs, unsere christliche Phase ist vergleichsweise kurz. Das Integrationsgesetz der CSU betont einseitig die „…Werte und Traditionen des gemeinsamen christlichen Abendlandes…“, nennt noch als Feigenblatt „…den jüdischen Beitrag zu seiner Identität…“ und vergisst selbstgefällig alle anderen Religionen, Glaubensrichtungen und die Historie des Abendlandes vor der Christianisierung im frühen Mittelalter. Unser Kultur wird auch geprägt u.a. von Muslimen, Buddhisten, Atheisten, Hindu und Menschen, denen Religion eher Kapitalismus oder Nihilismus ist. Unser Kultur ist nicht eindimensional, sie ist so vielfältig und individuell wir die Menschen es sind, die hier leben. 

Staatsgläubigkeit und Kadavergehorsam sind schlechte Ratgeber.

Aber die CSU geht mit ihrem Gesetz sogar noch weiter. Sie fordert unbedingten Kadavergehorsam und Staatsgläubigkeit, wenn sie per Gesetz einfordert: „Jeder Einzelne ist daher zur Loyalität gegenüber Volk und Verfassung, Staat und Gesetzen verpflichtet.“ Keine Frage, dass man sich an Recht und Gesetz halten muss. Jede Form von Parallelgesellschaft, die unsere Ordnung in Frage stellt, ist aufs Schärfste zu bekämpfen, egal ob es „Reichsbürger“, „Autonome“ oder irgendwelche Familienclans oder Religionsgemeinschaften sind. Aber – zu einer guten Demokratie gehört eben nicht unbedingte Loyalität zu Staat und Gesetzen, sondern auch das Recht und die Pflicht diese im demokratischen Sinn weiterzuentwickeln, wenn es notwendig ist. Auch die Loyalität gegenüber einem Volk und Staat ist fragwürdiges Gedankengut. In meiner Welt ist Freiheit ein wichtiges Gut. Auch die Freiheit z. B. auswandern zu dürfen oder eine fremde Staatsbürgerschaft anzunehmen. Republikflucht ist Gott sei Dank kein Straftatbestand mehr.

Lieber eine Atmende Obergrenze.

Das Integrationsgesetz hat noch einen weiteren grundsätzlichen Fehler. Es bekennt sich „zu seiner Verantwortung gegenüber allen, die aus anderen Staaten kommen und hier nach Maßgabe der Gesetze Aufnahme gefunden haben oder Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen.“ Abgesehen davon, dass das Bekenntnis schon in sich die Einschränkung „nach Maßgabe der Gesetze“ beinhaltet und damit die Humanität gegenüber Flüchtlingen einschränkt, geht es nicht zusammen mit der CSU-Forderung nach Obergrenzen für Flüchtlinge. Was machen wir mit dem 200.001 Flüchtling? Lassen wir ihn im Mittelmeer ertrinken? Was wir brauchen ist uneingeschränkte Hilfe für Menschen in Not. Wir sollten unseren Beitrag leisten für deren Überleben und Sicherheit am besten schon in den Herkunftsländern. Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Perspektiven sind der Dreiklang, der die Menschen davon abhalten würde, aus ihren Heimatländern zu fliehen und Flüchtlinge motivieren könnte dorthin zurückzukehren. 

So wenig es Obergrenzen für humanitäre Hilfe geben darf, so wichtig sind Obergrenzen für Zuwanderung. Der Unterschied ist: Die Beherbergung und Versorgung von Flüchtlingen ist temporär beschränkt und das Ergebnis ist nicht automatisch Einwanderung. Einwanderung soll auf Basis eines modernen Einwanderungsgesetzes organisiert werden, das natürlich (an den sozio-demographischen Bedarf orientierte) Obergrenzen kennt und darüber hinaus klare Kriterien für Einwanderung nennt. Ein Freund von mir hat dies als „atmende Obergrenze“ genannt – ein kluger Ansatz. Schade, dass die CSU ein Einwanderungsgesetz kategorisch ablehnt – es wäre ein wichtiger Beitrag für gelingende Integration!

Eines hat die Initiative der CSU aber auch erreicht: Es hat mich wieder einmal motiviert für Werte wie Weltoffenheit, Toleranz, Bürgerechte, soziale Verantwortung und Zivilcourage einzustehen und mich weiter politisch zu engagieren. Dieser CSU will ich meine Heimat nicht überlassen.

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