Europa nach dem Brexit: Aufstehen und weiterkämpfen.

24.06.2016
Andy Keck

Vor ein paar Wochen, habe ich hier in meinem Blog ein Votum für mehr Europa abgeben. Im Angesicht der knappen Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, will ich dieses gerne bekräftigen. Der Brexit ist zunächst eine Katastrophe. Für die Briten in aller erster Linie, aber auch für die EU, nicht nur weil er die nächsten Jahre Kapazitäten für die Verhandlungen über den Austritt binden wird. Die Kosten hierfür sollten übrigens die Briten tragen, meine ich – aber das nur am Rande.

Das Projekt Europa hat einen schweren Dämpfer erlitten. Warum eigentlich? Weil dessen Erfolge wie Frieden, Sicherheit, Freiheit und nicht zuletzt Prosperität als selbstverständlich angesehen werden? Ist es nicht so, dass unsere heimischen Politiker seit Jahrzehnten Positives als ihre Verdienste "verkaufen" und Negatives wahlweise als Brüsseler oder Berliner Unfug – je nachdem ob sie Bundes- oder Landespolitiker sind? Seit Jahren liegt die Idee Europa unter kommunikativem Trommelfeuer inklusive viel "friendly fire", wie man den ungewollten und nicht minder tödlichen Beschuss aus eigenen Reihen so verschönernd nennt. Imagetechnisch liegt Europa am Boden – niedergerungen von permanenten Negativmeldungen über Kosten, Bürokratie, Komplexität, Problemen, ewigen Verhandlungen ohne Ergebnis, Gurkenkrümmung und Glühbirnenverordnung.

Ja, Europa ist komplex. Ja, der Brexit ist eine Katastrophe. Aber in ihm wohnt auch ein Chance. Wir könnten anfangen, Europas Vorteile zu betonen. Wir könnten anfangen, die Konstruktion Europa einfacher und effizienter zu machen. Wir können dafür sorgen, dass die Prinzipien von Konnexität und Subsidiarität besser durchgesetzt werden. Wir könnten jetzt die Verantwortlichkeiten klarer regeln und die Rollen der Regionen, der Nationalstaaten und der EU sauberer trennen. Eine gemeinsame Sicherheitspolitik nach innen und aussen mit klarer Verantwortung beim Europäischen Parlament gehört genauso dazu wie eine bessere europäische Wirtschaftspolitik – wie ja bereits im erwähnten Blogbeitrag geschrieben.

Alle Politiker rufe ich auf, mit dem Europa-Bashing aufzuhören und sich auf Kosten der jeweils anderen politischen Ebene zu profilieren. Europa ist gerade nicht sehr populär – deshalb sollte die Zeit von populistischen Politikern vorbei sein und die Zeit von Politikern kommen, die für ihre Ideen und Ideale auch bei Gegenwind einstehen. Spätestens jetzt drifte ich ins Utopische ab – oder gibt es doch noch Hoffnung?

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