"Die Bundespolitik ist nicht alternativlos sondern visionslos"

02.03.2017
Andy Keck
"Die Bundespolitik ist nicht alternativlos sondern visionslos"

In einem sehr ausführlich Interview durch den Präsidenten des Verbandes Mittelstand in Bayern e.V. Ingolf F. Brauner werden die aktuelle Landes- Bundes- und Europapolitik intensiv aus Sicht des Mittelstandspolitikers Andreas Keck beleuchtet und aufgezeigt, was besser zu machen ist.

Hier das gesamte Interview im Wortlaut mit einem herzlichen Dankeschön an den mib e.V. und Ingolf F. Brauner für das Interesse an meiner Arbeit.


mib Präsident Ingolf F. Brauner im politischen Dialog mit Andreas Keck

München, 07.02.2017

„Unternehmer sprechen Klartext, was der Politik gut tut“


Brauner: Herr Keck Sie sind stellvertretender Landes- und Bundesvorsitzender des Liberalen Mittelstands. Lange Zeit hat man ja von den Liberalen und vor allem seinen Mittelständlern nicht viel gehört. Warum engagieren Sie sich jetzt gleich auf zwei Ebenen?
Keck: Ich war immer ein Mensch, der sich eine weltoffene und tolerante Gesellschaft wünscht, da war es klar, dass die FDP meine Partei ist. Und da ich selbständiger Unternehmer bin und sehe wie wirtschaftsfern die Politik oft ist, lag es für mich sehr nah, mich auch beim Liberalen Mittelstand zu engagieren und mich selbst einzumischen.

Brauner: Nun haben wir uns ja bei verschiedenen Veranstaltungen schon beim „Einmischen“ getroffen. Wie bringen Sie Ihr politisches Engagement zeitlich mit Familie und Unternehmen?
Keck: Ich habe das Glück, dass meine Frau selbst eine erfolgreiche Unternehmerin ist und mir den Rücken hier frei hält, denn natürlich geht mein politischer Einsatz – wie bei anderen Ehrenamtlichen auch – manchmal etwas zu Lasten meines Betriebes. Aber es ist eine bewusste Entscheidung und ich tue es auch für meinen Sohn, der schon studiert, um ihm ein sichere und gute Zukunft zu bieten.

Brauner: Was sind die Ziele des Liberalen Mittelstand?
Keck: Natürlich gibt es schon eine Reihe von gut vernetzten und erfolgreichen Verbänden, wie z.B. mib. Aber der Liberale Mittelstand hat sich hier ganz bewusst anders aufgestellt. Wir wollen das Leistungsspektrum anderer Mittelstandsverbände durch eine politische Komponente ergänzen. Konkret heiß das: Liberale Politik im Mittelstand vertreten und mehr Mittelstandskompetenz in die Parlamente zu bringen.

Brauner: Wie wollen Sie Unternehmer für die politische Arbeit gewinnen? Hier treffen ja manchmal zwei Welten aufeinander?
Keck: Es ist vollkommen richtig, dass Politik komplett anders funktioniert als Unternehmertum. In der Politik gilt es Mehrheiten zu organisieren, was ein sehr schwieriger und langwieriger Prozess sein kann. Der klassische Mittelständler ist eher gewohnt, schnell zu entscheiden. Auch ich musste das erst lernen. Andererseits sprechen Unternehmer meist Klartext, was der Politik gut tut. Auch ich nehme es für mich in Anspruch durchaus mal anzuecken.
Brauner: Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Keck: Nicht immer nur gute, aber wenn es der Sache dient bin ich gerne mal unbequem. Für einen Unternehmer wie mich, ist das eine Herausforderung, die ich gerne annehme.

„Der Staat muss Digitalisierung und eGovernment stärker nutzen“

Brauner: Lassen Sie uns zu den politischen Themen kommen. Die deutsche Wirtschaft ist derzeit die stärkste in Europa und die bayerische Wirtschaft ist die stärkste in Deutschland. Die durchschnittliche Betriebsgröße von fast 90% aller deutschen Unternehmen liegt bei rund 10 Mitarbeitern. Diese bieten in der Summe den Löwenanteil aller Arbeits- und Ausbildungsplätze. Anderseits zeigen die Statistiken, dass gerade Unternehmen dieser Größenordnung zahlenmäßig immer weniger werden und auch die Zahl der Neugründungen ist rückläufig. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Standortfaktoren, um den klassischen KMU wieder mehr Perspektive zu bieten?
Keck: Nun, hier muss ich einen großen Bogen spannen. Zum einen brauchen wir den Blick über den Tellerrand und mehr internationale Vernetzung. Dann sollte es bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Gründer geben. Es würde auch enorme Kräfte freisetzen, wenn die steuerliche Absetzbarkeit von Investitionen in Unternehmen gefördert würde, die Erträge daraus werden ja ohnehin versteuert. Das würde die Gründungsfinanzierung unglaublich nach vorne bringen und wäre eine echte Alternative zu Beton-Gold, denn Investorengeld ist ja prinzipiell auf dem Markt vorhanden.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind die Bürokratie und ihre Folgekosten, die besonders kleine und mittlere Unternehmen erheblich belasten. Hier hätten wir die Chance, durch die Digitalisierung auch Behördenprozesse im Rahmen des eGovernment zu verschlanken und zu beschleunigen.
Brauner: Nun zeigt die Erfahrung, dass eGovernment zwar für den Staat oft eine Vereinfachung, für die Unternehmen aber eine Verkomplizierung bedeutet.
Keck: Sie haben Recht, tatsächlich gibt es Beispiel wo die Arbeit mehr statt weniger wird, meist weil der Prozess nicht durchgängig modernisiert wurde. Das ist der falsche Ansatz, aber wir dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Digitalisierung bietet grundsätzlich das Potenzial Dinge zu vereinfachen und hier muss auch die Politik die Schwerpunkte drauf setzen. Je weniger Bürokratie wir haben, umso mehr Spaß macht es auch, sich um sein Unternehmen zu kümmern. Das müssen wir wieder erreichen.
Ein weiterer Aspekt für den Standort ist ein faires Steuermodell.
Brauner: Das sagt die SPD auch.

Keck: Es ist schon eine Frage des Blickwinkels, hier wurde viel unter dem Deckmantel der Steuerfairness aufgesetzt, was letztendlich genau das Gegenteil davon ist. Um ein Beispiel zu nennen: wenn ein Unternehmer Gewerbesteuer bezahlen muss, obwohl er de facto Verluste einfährt, weil bestimmte betriebliche Kosten nicht angerechnet werden, greift man auf unredliche Art den Leuten in die Tasche, die sich dagegen nicht wehren können.

„Die Substanzbesteuerung in der Gewerbesteuer ist unredlich“

Brauner: Sie sprechen die substanzbesteuernden Elemente der Gewerbesteuer an, was ja offen gesagt den Kommunen auch nicht unangenehm ist. Was sollten die denn tun, damit sich die Unternehmen dort wohlfühlen?
Keck: Hier ist insbesondere der Ausbau der Infrastruktur zu nennen. Damit meine ich nicht nur Straßen und Gewerbegebiete sondern in ganz besonderem Maße auch die digitale Infrastruktur, also Breitband in der Fläche. Nur so kann einer Ballung entgegengewirkt und der ländliche Raum wieder aufgewertet werden.

Brauner: Fakt ist ja leider, dass die großen Anbieter von Internet-Infrastruktur aus wirtschaftlichen Gründen lieber Wohngebiete verkabeln, als Gewerbegebiete, weil dort die Anschlussdichte höher ist.
Keck: Wir müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob wir das Thema digitale Infrastruktur nicht – ähnlich wie beim Straßenverkehrsnetz – in die Verantwortung der öffentlichen Hand legen. Das ist heute eine Grundversorgung und damit eine staatliche Aufgabe.
Brauner: Das ist für einen Liberalen eine gewagte Aussage.
Keck: Das mag sein, aber für diesen Universaldienst muss das Interesse der Allgemeinheit über dem wirtschaftlichen Interesse einzelner Anbieter stehen. Der Staat kann hier Rahmen setzen, wie es z.B. auch bei der Zurverfügungstellung von Telefonanschlüssen der Fall ist. Er muss sich ja nicht gleich in jedes Detail einmischen, aber auch im liberalen Sinne gehört es zu den Aufgaben des Staates Rahmenbedingungen für Gesellschaft und Wirtschaft zu setzen.
Übrigens wenn wir schon über Breitband reden, dann sollte die Diskussion nicht nur bis 50 Mbit/s geführt werden soll, sondern wir müssen heute den Mut haben, Gigabit zu verlangen, also Glasfaser bis zum Hausanschlusspunkt. Das kosten uns Milliarden, keine Frage, aber das ist eine wesentliche Investition in die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes.

„Bayern’s Wettbewerb ist nicht Berlin, sondern das Silicon Valley“

Brauner: Die neue deutsche Gründerszene siedelt sich derzeit in Berlin an. Bayern tut sich schwer neben den bestehenden Kompetenz-Clustern neue Gründerzentren zu etablieren. Man sagt Gründer siedeln sich gerne regional an, aber bei einem Flächenstaat wie Bayern fördern solche Distanzen nicht gerade die Synergie zwischen den jungen Unternehmen.
Was wurde in Bayern falsch gemacht, weil Berlin uns nun bei den Gründern den Rang abläuft?

Keck: Wir sollten uns darauf konzentrieren, was wir in Bayern besser machen können. Zunächst muss man einmal zwischen der Gründer-Szene und der Startup-Szene unterscheiden. Letztere ist tatsächlich eher in Berlin angesiedelt. Sie ist geprägt von disruptiven Geschäftsmodellen die sich häufig in neuen Internetplattformen niederschlagen. Der Begriff Gründung umfasst aber deutlich mehr, dazu gehört auch die Old Economy und z.B. auch ganz einfach, wenn eine neue Bäckerei aufmacht. Wir müssen also über Gründerkultur sprechen, die auch die klassischen Geschäftszweige mit einschließt.
Um die Gründerkultur speziell in Bayern zu fördern, müssen wir auch über Kultur, Weltoffenheit und Toleranz sprechen. Hier ist das Gebaren der CSU nicht immer hilfreich, wenn sie Signale aussendet wie „Wir wollen keine Fremden hier haben“, „Wir wollen kein Einwanderungsgesetz“ oder „wir brauchen eine Obergrenze“.
Brauner: Aber dass wir keinen Wettbewerb wollen, sagt die CSU ja auch nicht.
Keck: Natürlich, aber unser Wettbewerb ist ja nicht in erster Linie Berlin. Unser wirklicher Wettbewerb sitzt im Silicon Valley, in Tel Aviv oder auch in Singapur. Überall dort gibt es kreative Gründer-Szenen und dort boomt es. Wir müssen globaler denken und handeln.
Es gehört auch dazu, welches Unternehmerimage in der Öffentlichkeit aufgebaut und insbesondere in den Schulen vermittelt wird. Es steckt teilweise immer noch das Bild des ausbeutenden, Zigarre rauchenden, dicken Limousinen-Fahrers in den Köpfen mancher Lehrer. Ich will diese Berufsgruppe nicht pauschal verunglimpfen, aber Fakt ist nun mal, dass nur wenige Lehrkräfte echte Wirtschaftskompetenz besitzen und vermitteln können. Aber genau das wäre wichtig.

Brauner: Aus eigener Erfahrung darf ich hier einflechten, dass unser Projekt „Lehrer im Chefsessel“, mit dem wir die Wirtschaftskompetenz der bayerischen Lehrer fördern wollten, letztendlich nicht an den Lehrkräften sondern an den Schulleitern gescheitert ist.
Keck: Das bestätigt, dass die besten Standortfaktoren die Zahl der Gründungen nicht verbessert, solange die Bedeutung des selbständigen Unternehmertums nicht tiefer in der Gesellschaft verwurzelt ist.

Brauner: Bayrische Zentren wie München, Nürnberg, Regensburg stehen alle kurz vor dem Verkehrs-Kollaps, Wohnungen sind dort kaum noch finanzierbar – sofern es überhaupt noch freien Wohnraum gibt. Trotzdem unternimmt die Landes- und Kommunalpolitik offenbar alles, um das Leben in Bayern weiter auf diese Zentren zu konzentrieren, während das Land in manchen Gegenden zu Wohn- und Schlaf-Siedlungen zu mutieren scheint. Stellen Sie sich vor, Sie könnten in der bayerischen Politik ein ernstes Wort mitreden, was würden Sie anders machen?

Keck: Die Urbanisierung ist kein bayerisches, sondern ein weltweites Phänomen. Die Menschen zieht es immer an die Quelle der Veränderung und das sind nun einmal die Städte.

„Mit Digitalisierung den ländlichen Raum wieder attraktiver machen“

Brauner: Soll da heißen, die Entwicklung des ländlichen Raumes macht ohnehin keinen Sinn?
Keck: Wir können den Trend kaum umkehren, aber wir können dafür sorgen, dass der ländliche Raum attraktiver wird. Das geht z.B. durch Verkehrsanbindung, Anbindung an schnelle digitale Netze und auch durch die Pflege der kulturellen Vielfalt auf dem Land. Das ist heute ein echter Standortfaktor, gerade für Brain- Worker und hochbezahlte Fachkräfte ist das kulturelle Angebot in ihrer Umgebung heute sehr wichtig.

Brauner: Kann das Land diesen Wettbewerb gegen die Städte überhaupt gewinnen?
Keck: Gewinnen ist vielleicht nicht der richtige Begriff. Reden wir lieber über „bestehen“. Und ja, bestehen kann er. Hier kann auch die Digitalisierung helfen. Warum z.B. werden Opern, Musikveranstaltungen, Theater nicht in hoher technischer Qualität in Bürgersäle auf dem Land mit entsprechendem Rahmenprogramm übertragen. Hier ist noch viel Neues möglich, um den ländlichen Raum zu stärken.
Ein absolut richtiger Schritt war es, die Hochschulen aufs Land zu bringen. Im Schnitt findet man in Bayern alle 50 km eine Hochschule. Das wurde schon unter Wirtschaftsminister Heubisch vorangetrieben aber auch die CSU unterstützt diese Entwicklung recht gut. Tatsächlich bleiben viele dort wo sie studiert haben, was natürlich der Wirtschaft auf dem Land echt gut tut.

Brauner: Sie erwähnten gerade Wolfgang Heubisch, nun hatten wir ja vor nicht allzu langer Zeit zusammen mit Martin Zeil zwei bayerische Staatsminister, deren Partei - die FDP - Ihrer Unternehmerorganisation sehr nahe steht. War damals alles besser in Bayern?
Keck: Es war zwar nicht alles bessern, aber doch einiges. Wir hatten ja leider nur zwei Ministerien besetzt und auch nicht die Mehrheit im Parlament, sonst hätten wir sicher mehr bewegen können.
Wirtschaftsminister Zeil hatte einen klaren wirtschafts-ordnungspolitischen Rahmen und damals schon Akzente beim Thema Digitalisierung gesetzt. Er hatte auch klar für die freie Marktwirtschaft Stellung bezogen und den Einsatz von Staatsmitteln bei Unternehmens-sanierungen abgelehnt.
Wissenschaftsminister Heubisch hat Enormes für die Hochschulen geleistet, hier ist leider sehr viel zurück gedreht worden, ich sage z.B. nur „freie, eigenverantwortliche Hochschulen“. Warum muss ein Minister z.B. über die Besetzung einer Professur mitreden? Warum reden die Kirchen hier über das Konkordat auch noch mit? Die Studienbeiträge wurden von der CSU aus Angst eine Wahl zu verlieren wieder abgeschafft, das war ein großer Fehler. Die dafür jetzt aufzubringen Staatsmittel hätte man viel besser in die frühkindliche Ausbildung investieren sollen. Wenn man Chancen-Fairness herstellen möchte, dann darf man gerade diesen Bereich nicht vernachlässigen, weil Bildungskarrieren meist schon sehr früh festgelegt werden.

Brauner: Was würden Sie persönlich Frau Aigner sowie Herrn Seehofer und Herrn Söder mit auf den Weg geben, wenn es um die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Zukunft in Bayern geht?
Keck: Das Wichtigste ist das Einwanderungsgesetz. Seehofer und seine CSU sind hier strikt dagegen, mit der SPD und wahrscheinlich sogar der CDU wäre das machbar. Wir haben zur Zeit eine Umkehrung der Logik, wir wissen nicht wer ins Land kommt. Wir brauchen statt einer chaotischen eine geregelte Zuwanderung.
Brauner: Das kritisiert Seehofer auch.
Keck: Ja, aber seine Rezepte dagegen sind nicht tauglich. Es darf zwar keinerlei Toleranz gegen den Missbrauch unsere Gesetze geben, aber eine Obergrenze ist der vollkommen falsche Weg für einen humanitären Staat wie wir es sind. Man kann nicht den x+1ten Kriegsflüchtling im Mittelmeer ertrinken lassen, weil eine willkürliche Grenze überschritten ist.

„Ein Einwanderungsgesetz würde der Wirtschaft helfen und klar definieren wer hier bleibt und wer nur temporären Schutz erhält“

Wir müssen den Flüchtlingen aber auch klar sagen, ihr habt hier nur einen temporären Schutz bis es in eurem Land wieder sicher ist und bergauf geht. Deshalb wäre ein Einwanderungsgesetzt sehr hilfreich, weil wir damit den Leuten, die zu uns kommen, auch klar sagen können, was wir von ihnen erwarten, wenn sie dauerhaft bei uns bleiben wollen. Voraussetzungen sollten z.B. sein: die deutsche Sprache, eine Ausbildung, sich selbst ernähren bzw. finanzieren zu können, unsere Gesetze anzuerkennen, usw. Unsere Aussage muss sein, wir helfen Dir während des Kriegs in Deinem Land. Aber wenn Du bleiben willst, dann musst Du unsere Voraussetzungen erfüllen und dann kannst Du Dich um einen Einwanderung bewerben. So holen wir nur die Leute zu uns, die wir brauchen und die unsere Regeln auch akzeptieren.
Weiterhin will ich Herrn Seehofer und Frau Aigner sagen, dass sie den freien Handel, z.B. auch TTIP, nicht nur wollen sollen, sondern sich dafür noch viel intensiver aktiv einsetzen müssen. Das gilt auch für die dritte Startbahn und andere für die Wirtschaft wichtige Themen, denen es an politischer Leidenschaft bei der Umsetzung fehlt.
Ein weiterer Punkt ist Europa, wo wir Bayern ein zentraler Player sind. Hier muss die bayerische Politik noch viel mehr Gewicht einbringen, weil unsere wirtschaftliche Prosperität davon abhängt. Europa ist bei uns zu schwach besetzt.

Brauner: Das bringt mich zu Finanz- und Heimatminister Hr. Söder, der ja zweifellos in Bayern eine wichtige Rolle spielt aber weit über Bayern hinaus auch zu globale Themen immer wieder in den Medien ist. Was würden Sie ihm für seinen Weg mitgeben.
Keck: Das ist eine schwierige Frage. Markus Söder halte ich für respektabel. Er muss halt schauen, wie er seine Politik in der CSU durchsetzt, aber das muss er selber machen, da will ich ihm keine Ratschläge geben. Wir als FDP konzentrieren uns auf unsere Positionen.

Brauner: Aus meiner Sicht gab es während der aktuellen Legislaturperiode aus dem Bundeswirtschafts- ministerium keine wirklichen wesentlichen Impulse oder Weichenstellungen zur Sicherung des deutschen Mittelstands. Und was Herr Gabriel in seiner Zeit als Bundeswirtschaftsminister nicht geschafft hat, wird Frau Zypries wohl auch nicht mehr bis zum Herbst reißen und dann werden die Karten ja ohnehin neu gemischt. Gehe ich zu kritisch mit den Verantwortlichen um? Was hätten Sie sich gewünscht, dass in den letzten 3,5 Jahren vom Bundeswirtschaftsminister angepackt worden wäre?
„Gabriel hat seine Hausaufgaben nicht gemacht“

Keck (lacht): Wieviel Zeit haben wir für das Gespräch? Ich habe ja schon eine ganze Reihe von Punkten genannt, die angegangen werden sollten: Europa weiterentwickeln, Einwanderungsgesetz, Gründerfinanzierung, eGovernment, echtes Breitband, Bürokratieabbau, usw. Wichtig wäre es auch, einen vernünftigen Rechtsrahmen für die Digitalisierung zu schaffen, hier sind einfach die Hausaufgaben nicht gemacht. Dieser Impuls hätte vom Wirtschaftsministerium an den Justizminister gesandt werden müssen.

Brauner: Es scheint ja, dass es nicht nur an der Modernisierung der Gesetze mangelt, sondern auch an der Entschlackung. Wir schaffen Rechtsunsicherheit auch dadurch, dass es zu viele Gesetze gibt.
Keck: Ja, Einfachheit würde uns da wirklich gut tun. Außerdem hätte ich vom Wirtschaftsminister auch erwartet, dass er ein Bollwerk gegen die Maßnahmen von Frau Nahles aufbaut. Es hätte auch die Mietpreisbremse verhindert werden müssen. Wirtschaft benötigt zwar einen Rahmen, aber dieser Versuch des direkten Eingriffs ist zum Scheitern verurteilt. Stattdessen hätte der selbstgenutzte Wohnbau gefördert werden müssen, die staatliche Beschränkung der Banken bei der Kreditvergabe an Häuslebauer geht genau in die falsche Richtung. Schließlich ist die beste Altersvorsorge das selbstgenutzte Wohneigentum. Leider dauern Bebauungspläne und Bauanträge heute oft noch viel zu lange, hier sind besonders die Kommunen gefordert. Für einen Liberalen außergewöhnlich ist sicher auch meine Meinung, dass Kommunen günstige Baugrundstücke speziell für den selbstgenutzten und sozialen Wohnungsbau vorhalten sollten, auch um die Preistreiberei bei den Grundstücken einzubremsen.

Brauner: Hier wird wohl die EU etwas dagegen haben, die hat ja auch schon Einheimischenmodelle gekippt.
Keck: Das ist tatsächlich ein sehr komplexes Thema, aber hier müssen wir einfach etwas dagegen unternehmen, wir müssen uns ja nicht alles gefallen lassen. Es muss Konstrukte geben, wie z.B. Genossenschaftsmodelle, die den Erwerb von Wohn(teil)eigentum verstärkt möglich machen.
Übrigens, auch das Hochtreiben der Baukosten durch immer mehr, immer komplexere und in Teilen sinnlose Bauvorschriften muss gestoppt werden.
Von sogenannten Einheimischenmodellen halte ich wenig. Ich will Menschen, die in anderen Gemeinden wohnen wollen, nicht diskriminieren. Jedermann und jederfrau, insbesondere Familien, haben das Recht auf bezahlbaren Wohnraum – nicht nur die, deren Eltern zufällig in einer Gemeinde mit Einheimischenmodell wohnen.

„Verbände sind wichtige Lobbyisten für den Mittelstand“

Brauner: Die Bauvorschriften sind natürlich auch ein Ergebnis des Industrie-Lobbyismus. In Berlin kommen im Schnitt 7,8 Berufslobbyisten auf einen Parlamentarier und diese vertreten gerade einmal 3% aller deutschen Unternehmen. Der Mittelstand kann sich hier nur über seine Verbände Gehör verschaffen, die deutlich weniger Kapitalausstattung für die Interessenvertretung zur Verfügung haben.
Keck: Grundsätzlich bin ich ein Freund des Lobbyismus, da sich Politiker so schnell und umfassend informieren können. Aber natürlich muss das ausgewogen erfolgen, das bleibt die Verantwortung der Politiker. Die Arbeit von Verbänden wie mib und auch dem Liberalen Mittelstand ist deshalb so überaus wichtig. Ich kann nur alle Mittelständler – die ja meist selbst wenig Zeit für politische Arbeit haben - dazu aufrufen: Unterstützt Eure Verbände und werdet Mitglied, denn sie machen für Euch die Lobbyarbeit!

Brauner: Ich schließe mich da gerne noch mit einem Aufruf an die Politiker an: Hört auch auf die Interessenvertreter des kleinen und mittleren Mittelstand, nicht nur auf die Industrie-Lobby.
Keck: Das sind wir uns absolut einig! Ich hätte aber noch ein Thema an Berlin zu richten, es geht mir um die Rente: Lasst doch die Leute in Rente gehen, wann sie es für richtig halten. Die FDP verfolgt hier die richtige Flexibilisierungsstrategie. Manche arbeiten mit 70 noch gerne und andere wollen mit 60 in Rente gehen, es soll jeder selbst entscheiden können wobei sich natürlich die Höhe der Rente auch an der Höhe der Einzahlungen bemessen muss.

„Hartz-4 und Mindestlohn fördern die Schwarzarbeit“

Wo wir auch ansetzen müssen, ist die Durchlässigkeit von Hartz-4, soll heißen wir brauchen einen fließenden Übergang von Hartz-4-Empfängern in den Arbeitsmarkt. Hier sind die Hürden einfach zu hoch oder anders gesagt, es verlockt zu sehr, sich auf Dauer mit Hartz-4 einzurichten, weil sich das Dazuverdienen nicht lohnt. Auch der Sprung von Hartz-4 auf Mindestlohn ist viel zu groß. Das System ist mehr als suboptimal und fördert letztendlich auch die Schwarzarbeit. Ich hoffe, dass die FDP Teil der nächsten Bundesregierung ist und sich für einen fließenden und motivierenden Übergang einsetzen kann.

Brauner: Wie stehen Sie zum Mindestlohn im Allgemeinen?
Keck: Die Höhe ist meist nicht das Problem, sondern die bürokratische Umsetzung. Hier hätten die Gewerkschaften als reguläre Anlaufstelle für möglichweise Unterbezahlte eine tolle und sinnvolle Aufgabe übernehmen können, dann hätte es diesen Kontrollwahn nicht gebraucht.

Brauner: Es hat den Anschein, als hätte Frau Nahles, Ihres Zeichens Bundesministerin für Arbeit und Soziales, mit der Arbeit ihres Ministeriums wesentlich mehr Einfluss auf die Wirtschaft genommen, als das Wirtschaftsministerium unter Gabriel. Den Mindestlohn hatten wir gerade, denken Sie weiterhin an die Scheinselbständigkeit, die mehr Existenzen gefährdet als schützt oder denken Sie an die aktuelle Diskussion um die angebliche seht hohe Quote an Altersarmut unter den Selbständigen, mit der diese in die Rentenversicherung gezwungen werden sollen. Wie steht der Liberale Mittelstand zu all diesen neuen Gesetzen? Was würden Sie von der FDP verlangen, wenn Sie ihm Herbst als möglicher Koalitionspartner das Zünglein an der Waage wäre?

„Wer seine Steuern und Sozialversicherungen bezahlt, darf nicht scheinselbständig sein“

Keck: Das Bürokratiemonster um den Mindestlohn muss weg. Die Selbständigkeit ist ein Erfolgsmodell, das es weiter zu fördern gilt. Die sog. Scheinselbständigkeit ist in meinen Augen ein Unwort, hier wird versucht mit Modellen der 1950er-Jahre Fragen der 2020er Jahre zu beantworten. Es wird versucht, Selbständige in abhängige Beschäftigung zu treiben, das ist ein vollkommen falsches Vorgehen. Was soll Scheinselbständigkeit eigentlich sein? Wer seine Steuern und Abgaben selbst bezahlt und für Gesundheit und Alter selbst vorsorgt ist in meine Augen selbständig, auch wenn er nur einen Auftraggeber hat.

Brauner: Aber die Selbständigen müssen auch faires Geld für ihre Leistungen erhalten und sie dürfen nicht gegen die abhängig Beschäftigten ausgespielt und im Preis immer weiter gedrückt werden.
Keck: Leider gibt es diesen Missbrauch, aber hier sollten Dumping-Gesetze greifen. Frau Nahles neigt nur leider dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten und ganze Märkte kaputt zu machen. Vor dem Hintergrund der Globalisierung und Digitalisierung brauchen wir flexible Arbeitsplätze mit eigenverantwortlich tätigen Selbständigen. Dieses Modell muss gefördert und nicht verhindert werden. Aber gerade deshalb müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir die soziale Unabhängigkeit besonders der Soloselbständigen besser organisieren können. Eine Grundversicherungspflicht geht durchaus in die richtige Richtung, aber brauchen auch Lösungen für die, deren Selbständigkeit auf Dauer nicht genug für eine ausreichende Vorsorge abwirft und für die, die scheitern. Als Liberaler Mittelstand treten wir deshalb für die Pfändungsfreiheit von Vermögen bis zu einer definierten Obergrenze ein, das der Altersvorsorge dient. Das darf sich nicht nur auf die Riester- Rente beziehen, sondern muss z.B. auch selbstgenutztes Wohneigentum umfassen. Die Sicherheit, beim Scheitern nicht auch noch die Altersvorsorge zu verlieren, würde auch die Gründerkultur beleben. Ich kenne viele Familienväter, die sich einfach nicht trauen, sich selbständig zu machen, weil sie genau diesen Fall fürchten.

Brauner: Damit sind sie weitgehend auf der Linie von mib, aber wir sagen auch: Wenn schon eine Pflichtversicherung – die übrigens nicht zwangsweise die staatliche Rentenkasse sein muss – dann muss sie für alle gelten, also auch für Beamte und Politiker. Sie schließen ja nicht aus, Berufspolitiker zu werden, dann würde Sie das auch treffen. Wie stehen Sie dazu?
Keck: Ich würde zunächst statt der Pflichtversicherung eine Versicherungspflicht einführen, wobei jeder aus einem Angebot verschiedener Möglichkeiten sich seine Versicherung aussuchen kann. Selbständige und auch wohlhabende Arbeitnehmer könnten aus der Pflicht entlassen werden, wenn sie nachweisen, dass sie in Höhe der Vorsorgepflicht bereits vorgesorgt haben. Egal in welcher Form die Vorsorge vorhanden ist, wenn sie nachgewiesen werden kann, hat der Bürger seine Pflicht und Schuldigkeit getan.
Grundsätzlich sollte das für alle gelten, wobei wir bei Beamten aufgrund der bereits vorhandenen staatlichen Vorsorge eine Sondersituation haben. Beamte haben zwar dieses Privileg aber sie erkaufen es sich damit, dass sie nicht die Eigenbestimmtheit eines Unternehmers haben. Mein Ansatz wäre vielmehr zu hinterfragen, ob jeder Beamte auch Beamte sein muss. Bei hoheitsrechtlichen Aufgaben wie der Polizei ist das klar, aber warum z.B. müssen Lehrer oder Ministerial-Mitarbeiter verbeamtet sein? Dort wo der Staat Garantien gibt, muss er diese aber auch mit Kapital hinterlegen, was derzeit bei den Beamtenpensionen in der Regel nicht der Fall ist und somit von der Nachfolgegeneration zu bezahlen ist.

Brauner: Wie weit sehen Sie Unternehmen in Pflicht, für die Altersvorsorge ihre Mitarbeiter aufzukommen.
Keck: Letztendlich zahlen die Unternehmer immer für alles, sie zahlen die Arbeitgeberbeiträge ebenso wie das Netto aus dem der Arbeitnehmer einen Teil seiner Vorsorge finanziert. Unterm Strich trägt der Unternehmer die Verantwortung für seine Mitarbeiter sowieso in vollem Umfang, auch wenn die Leistungskraft natürlich vom Arbeitnehmer ausgeht. Es anders darzustellen wäre Augenwischerei. Es ist doch nur die Frage, ob die Ausgaben auf dem Lohnzettel aufgeführt oder als für den Arbeitnehmer nicht sichtbare Kosten verbucht werden.

Brauner: Ein Thema um das wir nicht umhin kommen, ist die Flüchtlingspolitik, ich möchte es heute einmal aus Sicht der Wirtschaft betrachten:
Als die Grenzen im Herbst 2015 plötzlich geöffnet wurden, wurde uns versprochen, viele Ingenieure, Akademiker und gut ausgebildete Fachkräfte unter den Flüchtlingen würden den Fachkräftemangel unserer Wirtschaft lösen. Nun – auch das waren wohl Alternativ-Fakten, heute wissen wir, dass genau das Gegenteil der Fall ist und anstelle einer Entlastung die Wirtschaft jetzt gefordert ist, Sonderaufwand für die Integration und Ausbildung der Flüchtlinge zu betreiben.
Sehen Sie als stellvertretender Vorsitzender des Liberalen Mittelstands dieses Thema lockerer als wir? Welche Rahmenbedingungen muß die Politik umgehend schaffen und wie weit können Ihrer Ansicht nach Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, damit die berufliche Integration der Flüchtlinge klappt?

„Wer mangels Qualifikation hier keine Zukunft hat, dem müssen wir im Heimatland wieder Perspektiven öffnen“

Keck: Der humanitären Hilfe für Flüchtlinge muss – wie schon erwähnt – ein Einwanderungsgesetz an die Seite gestellt werden, dass eine auch an wirtschaftlichen Interessen geregelte Zuwanderung organisiert. Für Flüchtlinge, die nicht dauerhaft hier bleiben wollen oder können, weil ihnen die notwendige Qualifikation fehlt, müssen wir die Optionen verbessern, wieder in Ihre Heimatländer zurückkehren zu können. Wir müssen also die Fluchtursachen strategisch nachhaltig bekämpfen. Diese sind mangelnde Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit und darauf aufbauend Perspektivlosigkeit und mangelnde Chancen auf ein vernünftiges Leben für sich und die Kinder. Wir kümmern uns viel zu wenig um diesen Teil des Problems, was ich sehr kritisiere. Ein Artikel hierzu von mir wurde schon vor einem Jahr in der Huffington Post veröffentlicht: „Flüchtlinge sollten sich für dauerhafte Zuwanderung bewerben“.

Brauner: Was sind aus Ihrer Perspektive die wirklich großen Herausforderungen, die der deutsche und damit natürlich auch der bayerische Mittelstand in absehbarer Zukunft bewältigen müssen?
Keck: Ich fürchte, ich wiederhole mich in Teilen. Aber es sind die Chancen und Risiken der Digitalisierung, insbesondere auch der so genannter disruptiver Geschäftsmodelle, die ganz Wirtschaftszweige drastisch verändern werden. Es sind IoT (Anm.: Internet of Things), Industrie 4.0, die Arbeitswelten der Zukunft, Globalisierung, Demografische Entwicklung, Zuwanderung, Fachkräftemangel, Überbürokratisierung. Neu hinzugekommen sind Folgen von Re-Nationalisierungs- und Abschottungstendenzen in vielen Ländern der Welt, allen voran USA und Großbritannien und hoffentlich zukünftig nicht auch Frankreich oder Italien, die unsere Exporte gefährden.

Brauner: Es sprechen ja derzeit viele Randbedingungen (Brexit, internationaler Rechtsruck, Euroschwäche, etc.) eher für Unsicherheit in der wirtschaftlichen Entwicklung. Trotzdem scheint es so, als würden sich deutsche Unternehmen – zumindest bisher - davon nur wenig beeindrucken lassen. Offensichtlich werden die Unternehmenserfolge nicht wegen sondern vielmehr trotz der politischen Arbeit in Berlin erzielt.
Für die Liberalen spricht, dass Sie schon mehrfach die Verantwortung im Wirtschaftsministerium hatten. Kann die FDP von dieser Expertise noch zehren? Welche 3 Punkte würden Sie einem möglicherweise künftigen FDP Wirtschaftsminister ins Hausaufgabenheft schreiben?

Keck: Die FDP war, ist und bleibt eine Partei der wirtschaftlichen Vernunft und der sozialen Marktwirtschaft - insbesondere mit dem Liberalen Mittelstand an ihrer Seite.
Die drei Hausaufgaben sind : Bürokratiekosten senken, Digitalisierung & Infrastruktur vorantreiben sowie für freien Handel sorgen.
Ich würde aber gerne noch eine vierte Aufgabe ergänzen. Der Garant für eine stabile Demokratie ist eine starke und breite Mittelschicht. Ich möchte einem zukünftigen Wirtschaftsminister deshalb auch ins Buch schreiben, dass er sich darum kümmert, dass diese Mittelschicht nicht weiter ausblutet.

„Die Bundespolitik ist nicht alternativlos sondern visionslos“

Brauner: Frau Bundeskanzlerin Merkel prägte einmal das Wort „alternativlos“ zur Begründung ihrer Entscheidungen. Dieses Wort wurde zu Recht zum Unwort des Jahres 2010 gewählt. Es hat sich dann vom Unwort weiterentwickelt zur ‚Alternative für Deutschland‘ und zu ‚alternativen Fakten‘. Ich hätte ein viel schöneres Wort, das weite Bereich der Politik in Deutschland und Europa beschreibt: „visionslos“.
Wo mangelt es Ihrer Ansicht nach an Visionen für Deutschland und wie sollten diese am besten aussehen?

Keck: An allen Ecken und Enden. Politik darf nicht allein dem Machterhalt dienen, sondern politische Macht muss dem Erreichen von Zielen dienen. Meine Vision von Deutschland ist ein weltoffenes, tolerantes, faires undwirtschaftlichstarkesLandalsTeileinerEuropäischenUnionmitebendiesenWerten. Aberwirmüssen uns politisch weiter entwickeln. Berlin muss da Macht an Europa abgeben, wo es sinnvoll ist: Bei Verteidigung, Sicherheit, Außenwirtschaft und Außenpolitik. Und Macht an die Bundesländer oder die Kommunen zurückgeben, wo die Dinge vor Ort besser geregelt werden können. Das ist meine Vision von gelebter Subsidiarität.
Ihre Schwester, die Konnexität, ist mir Leitbild für die zweite Vision: gelebte Konnexität. Dazu gehören insbesondere Steuer- und Budgettransparenz, was meint, dass am besten jede Steuer klar der Ebene zugeordnet ist, die sie ausgibt. Ich will Bürgermeister, Länderchefs, Bundesregierungen und auch Europäische Institutionen daran messen können, wie sie mit dem Geld der Bürger umgehen.

Brauner: Übertragen wir den Begriff „Vision“ doch gleich noch auf Europa. Mit viel Euphorie sind die Schranken einst gefallen und wurde der Euro und die Freizügigkeit zu arbeiten wo man möchte eingeführt; für junge Menschen ist das heute Normalität und wird einfach als gegeben hingenommen. Aber auch die Eurokratie hat eine Eigendynamik entwickelt, deren Ursprünge heute kaum noch nachvollziehbar sind. Brüssel und Straßburg regiert in viele nationale Details hinein, schafft neben der Landesbürokratie eine Euro-Bürokratie ungeahnten Ausmaßes und hat gleichzeitig die Fähigkeit verloren, sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern, wie z.B. eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik.
Herr Keck, wo ist die europäische Vision geblieben? Was ist passiert, dass die Bürger sich zunehmend vom europäischen Gedanken abwenden? Und was muss passieren, damit Europa wieder von einer Vision getragen wird, die unsere Kinder und Enkel begeistert?


„Europa ist die bessere Zukunft für uns und unsere Kinder“

Keck: Eine exzellente Frage. Der Mensch ist ein Nutzen-Maximierer und natürlich fragen sich auch Bürger: What's in for me? Also, was bringt uns dieses Europa. Wir müssen hier auch mutig Antworten geben, auch wenn der Mainstream und mögliche Umfrageergebnisse dagegen sprechen: Europa bedeutet für uns Frieden, Einfluss in der Welt, hervorragende wirtschaftliche Perspektiven, Reisefreiheit, wundervolle Nachbarn und Freunde, bessere Chancen für unsere Kinder oder "billigere" und trotzdem bessere Verteidigung. Europa ist für mich die bessere Zukunft für uns alle und für unsere Kinder.
Aber nicht alles an der Entwicklung ist gut. Wir müssen uns auch den negativen Aspekten stellen und ständig an Verbesserungen arbeiten. Manche Regelungen aus Brüssel könnten wegfallen oder einfacher gelöst werden, oftmals werden Bürokratievorgaben von deutschen Beamten perfektioniert und übererfüllt.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist aber auch das Verhalten vieler Politiker, die Europa gerne zum Sündenbock machen! Schuld an nahezu allem, was Bürger kritisieren, tragen immer die anderen. Bund oder Land geben zu wenig Geld, die schlimme EU-Bürokratie verhindert dies oder das, die Kommunen wollen sich zu Lasten der Länder schadlos halten. Ausreden über Ausreden. Ich will Politiker, die Dinge verändern, Verantwortung tragen und nach Lösungen suchen.
Und was Europa im Besonderen betrifft: Europa darf nicht länger zum Haupt-Sündenbock gemacht werden. Es ist zwar einfach, mit dem Finger auf Brüssel zu zeigen, weil sich Europa nur schwer wehren kann. Aber dieses Verhalten bestärkt die Aversionen gegen Europa und ist meines Erachtens ein Hauptgrund für das schlechte Image von Europa.

Brauner: Europa hat sich im Schatten von Amerika in den letzten Jahrzehnten zu einer ansehnlichen Wirtschaftsmacht entwickelt, wenngleich der Hauptträger dabei Deutschland ist. Unter dem Präsidenten Trump scheint nun aus diesem Schatten eine gewaltige Gewitterwolke zu werden. Die europäischen Industriemanager pfeifen zwar derzeit wie die Kinder im Wald um sich die Angst zu vertreiben, aber realistisch betrachtet wird sich der Tsunami nicht mehr aufhalten lassen, wenn Trump mit seiner Auffassung von Politik fortfährt Amerika zu regieren.
Ich weiß, es ist eine schwierige Frage. Aber was würden Sie Europa und seinen Nationen als Antwort auf die Trump-Politik raten? Und wie kann die Wirtschaft im alten Kontinent möglichen Verwerfungen in der zuletzt doch guten Entwicklung vorbeugen?

„Thanks Mr. Trump for making Bavaria even greater“

Keck: Trump ist ein Alphatier. Und Alphatieren muss man mit entsprechender Macht und Entschlusskraft entgegentreten um ihnen Paroli zu bieten.
Die einzelnen Nationalstaaten sind viel zu unbedeutend, um von einem Trump ernst genommen zu werden. Deshalb müssen wir Europa weiter entwickeln und vereinen, eine gemeinsame für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Aussen- und Wirtschaftspolitik betreiben und Partikularinteressen hinten anstellen.
Wir sollten dem neuen amerikanischen Isolationismus Weltoffenheit & Toleranz entgegensetzen sowie mehr weltpolitische Verantwortung übernehmen. Trump übt durchaus auch berechtigte Kritik, wenn er geopolitische Verantwortung anmahnt, unverhältnismäßige Militärausgaben kritisiert und Reformbedarf bei der NATO feststellt. Das sollten wir bei allem völlig berechtigtem Unmut über Art und Weise seiner Kommunikation nicht unbeachtet lassen. Trumps Verhalten gegenüber Zuwanderern eröffnet wiederum auch Chancen für uns. Im internationalen War of Talents könnten die USA weniger attraktiv werden und Bayern attraktiver. Oder um es scherzhaft zu sagen: „Thanks Mr. Trump for making Bavaria even greater. Welcome to the country of free and open minded people. Welcome to Bavaria!”

Brauner: Ich möchte mich für das überaus interessante politische Gespräch mit Ihnen ausdrücklich bedanken. Wir sind beide Vertreter von namhaften Wirtschaftsverbänden, umso wichtiger ist der Austausch zwischen uns, den wir hoffentlich auch weiterhin fortführen werden.
Sagen Sie mir zum Schluss bitte noch, was sind Ihre nächsten Ziele, welche Schritte in ihrer verbandspolitischen und/oder politischen Arbeit streben Sie für die kommenden 12 Monate an?

Keck: Der Liberale Mittelstand versteht sich tatsächlich als politischer Arm des Mittelstands, deshalb wollen und brauchen wir den Austausch mit Verbänden wie mib, deren Partner und Ergänzung wir gerne sein wollen. Zunächst ist unser Ziel der Wiedereinzug der Freien Demokraten in den Deutschen Bundestag mit einer starken Fraktion von Abgeordneten, die dem Mittelstand verbunden sind und unsere Positionen vertreten.

Dann den Wiedereinzug der Liberalen in den Bayerischen Landtag vorbereiten – unser Bayern braucht dringend wieder mehr Mut, Weltoffenheit und Vernunft, braucht dringend ein Update für unsere Laptops und ein frisches Hemd zur Lederhosen, um ein altes Bild zu bemühen und um die Wichtigkeit der Digitalisierung zu betonen.

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