Fragen des Zentralrats der Muslime Deutschlands e.V.

Vor dem Hintergrund der schon fast hysterischen Frage ob "der Islam zu  Deutschland" gehöre, sind die Fragen des Zentralrats der Muslime für mich von besonderer Bedeutung.

Gibt es für Sie relevante Beiträge von Deutschlands Muslimen zum Wohle der Gesellschaft?

Unbedingt, Deutschlands Muslime beleben unsere vielfältige Kultur, der Islam ist für viele Deutsche spirituelle Heimat und ihre Gemeinden oft auch soziale Heimat.

Die Themen Islam und Muslime werden nachgewiesenermaßen mehrheitlich negativ behandelt und wahrgenommen. Wie kann angesichts einer vorurteilsbehafteten öffentlichen Mehrheitsmeinung und einschlägiger Medienberichterstattung die Politik einen rationalen Kontrapunkt setzen? Wie sähe der Beitrag Ihrer Partei aus?

Meinung kann Gott sei Dank nicht diktiert werden. Aber gegen Vorurteile und tendenziöse Berichterstattung kann gekämpft werden. Das müssen wir tun. Miteinander reden, aufklären und Transparenz sind dabei wichtige Eckpfeiler.

Wie steht Ihre Partei zu der Feststellung „der Islam gehört zu Deutschland“?

Deutschland ist ein säkularer Staat, Religion als Privatsache. Insofern gehört der Islam genauso viel oder wenig zu Deutschland wie christliche, jüdische, hinduistische oder was auch immer für Religionen. Für alle gelten unser Recht und unsere Gesetze insbesondere unser Grundgesetz als oberstes Regelwerk.

Wie steht Ihre Partei zu der Neutralität des Staates gegenüber den Religionen und dementsprechend zu der Gleichstellung der Religionen inklusive des Islams?

Religionen sollten grundsätzlich gleichgestellt sein, für den Staat sollte eine strikte Neutralität gelten.

Glauben Sie, dass es in Bayern eine wachsende Islamophobie gibt?

Ja, leider.

Wenn ja: Welche Maßnahme sehen Sie als notwendig, um der unbegründeten und zum Teil hysterischen Angst zu entgegnen?

Aufklärung, Transparenz und Dialog.

Sehen Sie die Gefahr eines Rechtsrucks der Gesellschaft?

Die Ergebnisse der AfD und die Reaktion der CSU darauf lassen kaum einen anderen Schluß zu.

Welche Maßnahmen sieht Ihre Partei als notwendig an, um zu verhindern, dass das Gedankengut des rechten Randes in der Mitte der Gesellschaft ankommt?

Wir müssen die Ängste der Menschen ernst nehmen und ihnen mit überzeugenden Argumenten Mut machen, statt ihre Ängste zu bestätigen und keine Lösungen anzubieten. Zuwanderung ist Chance und Risiko, die Digitalisierung ist Chance und Risiko. Wir müssen mehr über die Chancen reden und die Risiken aktiv minimieren. Ein bloßes „Wir schaffen das“ ohne konkrete Maßnahmen ist zu wenig.

Denkt Ihre Partei an eine Anerkennung der großen muslimischen Dachverbände als Träger   für einen regulären islamischen Religionsunterricht und als Ansprechpartner für Seelsorge  sowie die weiteren religiösen Fragen, die die muslimische Minderheit betreffen?

Ich bin gegen konfessionsgebundenen Religionsunterricht sondern plädiere für einen Unterricht, der unsere Kinder Wissen und Verständnis über alle Religionen lehrt und so einen wichtigen Beitrag zu Weltoffenheit und Toleranz leistet. Religionsspezifische Unterrichtung gehört nicht an die Schulen. Für die inhaltliche Ausrichtung eines neuen Religions- und Ethikunterrichts sollten selbstverständlich die jeweils relevanten Verbände und Organisationen eingebunden werden.

In Sachen Seelsorge ist die Gleichbehandlung aller Träger die Leitlinie.

Islamunterricht als Modellversuch läuft seit dem Schuljahr 2008/2009 an 337 bayerischen Schulen. Wie steht Ihre Partei zu der Weiterführung des Islamunterrichts im nächsten Schuljahr als regulärem Fach anstelle des Modellversuchs?

Solange es grundsätzlich konfessionell orientierten Unterricht gibt, sollte es auch Islamunterricht geben – mittelfristig setze ich mich jedoch wie bereits gesagt für einen “neutralen“ Religions- und Ethikunterricht ein.

Können Sie sich eine Muslimin mit Kopftuch in einer leitenden Funktion Ihrer Partei vorstellen?

Ja und wir haben ja auch bereits eine Kandidatin mit Kopftuch.

Welche Position vertritt Ihre Partei bezüglich kopftuchtragender Lehrerinnen an öffentlichen Schule und Beamtinnen bzw. Mitarbeiterinnen im sonstigen öffentlichen Dienst (z.B. Polizistinnen, Richterinnen, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an Universitäten usw.), unabhängig davon, ob es eine christliche Nonne (im Fall der Lehrerin) oder muslimische Frau ist und wie stehen Sie zur Neutralität gegenüber allen Religionen? Die de facto diskriminierenden Kopftuchverbote für Lehrerinnen oder Richterinnen wirken sich längst auch in der Privatwirtschaft aus. Wie lautet die Position Ihrer Partei hinsichtlich der Abschaffung von Kopftuchverboten?

Ein neutraler Staat kann und sollte auch in religiösen Fragen neutral bleiben. Deshalb ist ein Verbot offensichtlich religiöser Symbole am Arbeitsplatz nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch Kreuze in Klassenzimmern und Amtsstuben als kritisch an. 

Eine Ausnahme an den Schulen sollte religionsspezifischer Unterricht sein (solange es ihn gibt). Hier kann sowohl eine Nonne ihren Habit tragen wie auch eine muslimische Lehrerin ein Kopftuch. Aber bitte nur in diesem Unterricht.

Soweit auch privatwirtschaftliche Unternehmen in Sachen Religion neutral bleiben wollen und deshalb von ihren Mitarbeitern neutrale Kleidung fordern, muss dies genauso akzeptiert werden wie z. B. auch viele Unternehmen politische Neutralität von ihren Mitarbeitern am Arbeitsplatz einfordern dürfen.

Was versteht Ihre Partei unter dem Begriff "Integration" und welche Konzepte streben Sie insbesondere für die Integration von MuslimInnen in Bayern an?

Aktive Integration entwickelt das Gefühl angekommen zu sein und sich in seiner neuen Heimat „zuhause“ zu fühlen. Sprache und Beruf sind dabei wichtige Elemente. Integration ist eine gegenseitige Aufgabe  –  für die integrierende Gesellschaft genauso wie für diejenigen, die als Zuwanderer integriert sein möchten.

Wir wollen klare Regeln in einer weltoffen und toleranten Gesellschaft, wir erwarten Offenheit, Akzeptanz und den Willen, ein akzeptiertes Mitglied unsere Gesellschaft zu sein. Dazu gehört nicht die Verleugnung der eigenen kulturellen Wurzeln aber unbedingt der Wunsch, diese mit hiesigen Werten und Vorstellungen in Einklang zu bringen.

Wir wollen Zuwanderung besser organisieren und Integration erleichtern.

Für gläubige MuslimInnen, wie für gläubige ChristInnen, ist die Hilfe für Menschen in Not eine Pflicht. Seit Beginn der so genannten „Flüchtlingskrise“ haben sich viele BürgerInnen sowie eine überproportional große Zahl von MuslimInnen in der Nothilfe sowie der langfristigen Betreuung engagiert. Damit haben sie auch das positive Bild Deutschlands im Ausland mit geprägt. Welcher Umgang mit dem Thema Flüchtlinge ist von Ihrer Partei für   die nächsten vier Jahre zu erwarten?

In der Migrationspolitik braucht es endlich Klarheit. Dazu brauchen wir vier Türen. Die erste heißt Asyl: Da herein kommen jene Menschen, die individuell politisch verfolgt werden. Das sind nur sehr wenige. Zweitens muss es vorübergehenden Schutz für Kriegsflüchtlinge geben, mit anschließender Rückkehr in die stabilisierte Heimat. Durch die dritte Tür kommen qualifizierte Zuwanderer: Diese sucht Deutschland aus. Dazu muss man sich im Rahmen eines Einwanderungsgesetzes bewerben. Sie müssen sprachliche sowie berufliche Qualifikationen vorweisen und dürfen nicht in den Sozialstaat einwandern. Die vierte Tür geht nach außen auf: Alle die, die sich dann noch illegal bei uns aufhalten, müssen schnellstmöglich in ihre Heimat zurück.

Angesichts der immer noch nicht umfassenden Aufarbeitung der NSU-Terrorserie und der Beobachtung von nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) rund 80 Moscheen: a. Halten Sie die Beobachtung von etwa ein Viertel der Moscheen in Bayern für notwendig oder handelt es sich hier eher um eine Verschwendung von Ressourcen, die in anderen Bereichen viel sinnvoller eingesetzt werden könnten?   b. Sehen Sie die Notwendigkeit von stärkerer parlamentarischer Kontrolle der Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz? c. Bedarf die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörde einer umfassenden Neuausrichtung?

Inwieweit eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz notwendig und hilfreich ist vermag ich nicht zu beurteilen. Eine intensive parlamentarische Kontrolle ist aber dringend geboten, um Missbrauch zu verhindern. In Sachen Verfassungsschutz brauchen wir eine deutlich bessere nationale und europäische Zusammenarbeit und Koordination.

In Anbetracht von rund 100 Angriffen auf Moscheen im Jahr und unzähligen, und sich häufenden (Mord-) Drohungen gegen muslimische Vereine und muslimische Persönlichkeiten: Wie und vor allem wann werden Moscheen und andere muslimische Einrichtungen sowie deren Vertreter besser geschützt?

Rechtsfreie Räume sind nirgendwo in Deutschland akzeptabel – auch im Internet nicht. Insofern müssen für den Schutz von Moscheen und gefährdeten Persönlichkeiten dieselben Maßstäbe gelten wie beim Schutz von z. B. Synagogen oder den Schutz von Politikern.

Verschiedene Organisationen und Bürgerinitiativen beklagen, dass gut integrierte Asylbewerber von Abschiebung bedroht sind ohne Rücksicht auf ihr persönliches Engagement ihr positives Verhalten und ihre Integration in den Arbeitsmarkt gerade in Bezug auf Mangelberufe. Sehen Sie Bedarf an Änderungen in dieser Hinsicht? Wenn ja, welche?

Gerade für gut integrierte Asylbewerber böte unser gefordertes Zuwanderungsrecht eine zusätzliche Chance: die Zuwanderung als qualifizierter Einwanderer. Wer hier einen Arbeitsplatz hat, wird dann in der Regel auch kein Problem haben, die diesbezüglichen Qualifikationshürden zu nehmen.

Die Wohnungsmiete in vielen Städten Bayerns ist für viele Familien unbezahlbar. Welche Maßnahmen würde Ihre Partei ergreifen, um eine Entspannung zu erreichen?

Die einzig nachhaltige Lösung ist, für mehr Wohnraum zu sorgen. Deshalb lautet die Antwort bauen, bauen bauen. Wir müssen Baurechtsschaffung drastisch beschleunigen, bautechnische Standards kritisch hinterfragen und im Zweifel zu Gunsten günstigeren Bauens runterregulieren. 

Wir sollten genossenschaftliches Bauen fördern und die steuerlichen Optionen für selbstgenutzte Immobilien verbessern. Insbesondere für Familien brauchen wir bessere Möglichkeiten Eigentum zu erwerben. Die Grunderwerbsteuer sollte zumindest für die erste selbstgenutzte Immobile entfallen. Die vom Verfassungsgericht angeordnete Reform der Grundsteuer sollte dafür genutzt werden, die Steuern zu senken und insbesondere nicht das Schaffen von Wohnraum durch eine höhere Besteuerung zu bestrafen. Effizient bewirtschaftete Flächen (mit viel Wohnraum) sollten nicht höher besteuert werden als schlecht bewirtschaftete mit wenig. 

Parallel sollten wir über den Ausbau der Infrastruktur inkl. der digitalen Netze das Wohnen im ländlichen Raum attraktiver machen und so einen kleinen Beitrag zur Entlastung der Ballungszentren leisten.

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