CO2 statt Atomkraft? Putin statt Power?

11.02.2022
Andy Keck
CO2 statt Atomkraft? Putin statt Power?

Die aktuelle Nicht-Diskussion (“niemand will eine Ausstieg vom Ausstieg“) lässt mich an Logik und taktischer Kompetenz der handelnden Personen zweifeln.

Logisch ist, dass das Abschalten von Atomkraftwerken zu mehr CO2 Ausstoss führt. Weil wir bei wachsendem Strombedarf gar nicht anders können als Atomkraftwerke durch Kohle- und Gaskraftwerke zu ersetzen – zumindest zum Teil. Erneuerbare Energien sind schlicht nicht ausreichend verfügbar in Deutschland.

Nicht logisch ist es, in einem wachsenden Markt (Strombedarf) die Kapazitäten (Kraftwerke) zu senken. Das führt zu steigenden Preisen und zu mehr Marktmacht der verbleibenden Erzeuger. Putin freut sich.
Strategisch ist der Ausstieg aus der Atomkraft richtig, das jetzt und so schnell zu tun aber taktisch völlig falsch. Klug wäre es, das Zug um Zug zu tun. Kapazitäten im Bereich Erneuerbare Energien aufbauen und dann erst entsprechend Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen. Dabei sollte allerdings der wachsende Bedarf, z.B. für Elektromobilität ebenfalls berücksichtigt werden.

Gerade zu dumm ist es, verstärkt auf russisches Gas zu setzen und sich hier abhängig und erpressbar zu machen. Eine angemessene Reaktion und taktisch klug wäre ein Moratorium, das den Ausstieg aussetzt und prüft, inwieweit bestehende Kraftwerke weiter laufen sollten oder wieder in Betrieb genommen werden müssten. Auch alle alternative Optionen sollten mit Hochdruck geprüft werden.
Nicht ganz so dumm, allerdings wirtschaftlich auch nicht sehr klug, ist es Atomstrom aus Frankreich und Tschechien oder Kohlestrom aus Polen zuzukaufen.

Apropos Wirtschaft. Die ersten Betriebe in Deutschland wandern bereits ab ins europäische Ausland, weil sie sich die Energiekosten in Deutschland nicht mehr leisten können. Wollen wir das? Jeder geschlossene Betrieb hier senkt zwar unseren Strombedarf (ja, das ist polemisch…), bedeutet aber weniger Arbeitsplätze, weniger Wohlstand und weniger Steuereinnahmen. Ein weiterer Grund, unsere Energiepolitik dringend zu überdenken.

Ich fasse zusammen: Am Atomausstieg sollten wir festhalten, am aktuellen Plan dazu nicht. Wir brauchen ein Konzept, das alle unsere Interessen ausgewogen berücksichtigt: Energiekosten, Klima, Standortqualität sowie politische und geostrategische Unabhängigkeit. Dafür müssen aus meiner Sicht alle Optionen auf den Tisch, auch der temporäre Ausstieg vom Ausstieg. Und über Desertec sollten wir vielleicht nochmal nachdenken.

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